Für den Montag vor der Schliessung, der auch im Studio7 von Susanna Eicher normalerweise ein Ruhetag ist, habe sie noch so viele Kundinnen wie möglich bedient. «Ich rief diejengen an, die in der Woche darauf einen Termin hatten und von denen ich wusste, dass die Farbe oder der Schnitt nötig waren.» Das gehört dazu, in einem Coiffeursalon, der diesen Herbst sein 30-jähriges Bestehen feiert und bei einer Chefin, die ihre ganze Energie in den Dienst der Kunden und Kundinnen stellt. Um den Schock abzumildern hätten sie und ihre Angestellten am ersten Tag des Lockdowns Frühlingsputz gemacht, erzählt sie. «Ich gebe zu, dass ich an diesem ersten Tag oft den Tränen nahe war.»  
           Danach hat sich Susanna Eicher sofort wieder in die Arbeit gestürzt: Kurzarbeitsentschädigung für ihre Angestellten, ein Covid-Kredit zur Sicherheit, Covid-Entschädigung für sich mussten beantragt werden. «Den Kredit hätte ich wohl nicht benötigt, aber ich wollte auf der sicheren Seite sein.» Die Behörden hätten rasch und mit viel Hilfsbereitschaft gehandelt, bilanziert sie. «Nur die Kurzarbeitsentschädigung erfordert recht viel Aufwand und Administration, auch wurde sie mit rund zwei Monaten Verzögerung ausbezahlt. Aber über alles gesehen, haben die Finanzhilfen gut funktioniert.»
          Heute kämen wieder fast gleich viele Kundinnen ins Geschäft wie vorher. Natürlich mussten einige Abläufe umgestellt werden: Auf Einwegmäntel wird im Studio7 verzichtet, dafür werden die Stoffmäntel nach einmaligen Gebrauch gewaschen. Ausser bei Farbarbeiten und chemischen Umformungen tragen die Coiffeusen keine Handschuhe. «Wir waschen uns die Hände so häufig, dass das hygienisch genügt.» Zudem: «Der Kontakt mit den Kunden ist so wichtig und schon durch die Maske wird ja eine enorme Distanz geschaffen», sagt Susanna Eicher.
          «Für mich, die ich mein ganzes Leben in den Dienst der Schönheit gestellt habe, ist das immer noch etwas schwierig. Am Anfang war auch eine grosse Unsicherheit beim Schneiden und Stylen da, da muss man doch die Gesichter der Kundinnen im Ganzen sehen, um die optimale Form zu gestalten. Aber in der Zwischenzeit haben wir uns wohl oder übel daran gewöhnt.»
          Nichts geändert hat am Motto von Susanna Eichers Erfolgsgeschichte: «Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance!» Das gilt seit den Anfängen 1990 bis heute. Damals hatte sie ihr Coiffure Studio7 im Marziliquartier gegründet, ein kleines eingespieltes Team aufgebaut und die ersten Lernenden ausgebildet. Sie hatte immer Spass daran ihr Wissen weiterzugeben und es macht ihr grosse Freude, junge Menschen um sich zu haben.  
         1995 eröffnete Susanna einen weiteren Salon an der Gerechtigkeitsgasse in der Berner Altstadt. Die Lust etwas Neues anzufangen hat sie motiviert aus einem einfachen Verkaufsraum eine kleine Oase in der Stadt entstehen zu lassen. Drei Jahre später entstand das dritte Studio7 in der Innenstadt, im Zibelegässli. Während zwei Jahren betrieb sie drei Coiffure- und ein Kosmetikgeschäft mit insgesamt 16 Mitarbeitern/Innen. Förderung von jungen Menschen heisst für Susanna auch Perspektiven bieten. Deshalb übergab sie die Geschäfts- leitung vom Studio7 im Zibelgässli an eine langjährige Mitarbeiterin. Mit ihr zusammen gründete sie eine GmbH für den Salon und ermöglichte ihr so den langsamen Übergang in die Selbstständigkeit. 2016 wird aus dem Salon im Zibelegässli das Studio8. Susanna Eicher zog sich an diesem Standort aus dem Tagesgeschäft zurück, bleibt aber mit zwei Dritteln der Anteile und persönlicher Unterstützung weiterhin aktiv.
          In all den Jahren hat die Coiffeurmeisterin 28 Lernende ausgebildet. Alle haben ihre Lehrabschlussprüfung bestanden und viele davon Karriere gemacht - in eigenen Geschäften oder auf Showbühnen und Schulungen. Darauf ist Susanna Eicher zu Recht stolz. Es zeigt, dass sie den richtigen Grundstein bei den jungen Menschen gelegt hat. Neben dem fachlichen ist für Susanna auch das menschliche sehr wichtig. Teamarbeit heisst für sie miteinander Ziele erreichen und voneinander profitieren.
          Mit viel Herzblut, Fachwissen und Können geben Susanna und ihr Team weiterhin an der Gerechtigkeitsgasse ihr Bestes, auch wenn mal die Chefin nicht da ist. Das funktioniert, weil im Team jede Einzelne die eigene Persönlichkeit einbringen und weiterentwickeln kann, ohne durch strenge, enge Rahmen eingeengt zu werden. Ständige Weiterbildung im In- und Ausland gehört auch dazu. Susanna und ihr Team legen jedes Jahr fest, wer sich in welche Richtung weiterbildet und in welcher Form. Dazu gehört auch der gemeinsame Besuch von Fachmessen. Auf den jährlichen dreitägigen Teamausflug in eine europäische Stadt freuen sich alle immer ganz besonders, erleben sie sich in diesen drei Tagen doch auch einmal von der ganz privaten Seite.
          Und dieses Jahr gehört noch ein grosses Fest dazu: Zum 30-jährigen Bestehen hat Susanna Eicher ein grosses Frauen-Power-Fest organisiert. Mit LiveMusik und feinem Essen. «Nach kurzem Zögern habe ich beschlossen: Doch, das wird gefeiert und zwar richtig.» Recht hat sie!
        
        Text: Christine Abbühl
        BPW Courrier 2019/20